„Oldenburger Verein hilft bei Trauer“

NWZ- online: Tonia Hysky

„Kommt Mama bald wieder?“

Trauer verarbeiten: Manche der Kinder malen oder spielen, Jugendliche sprechen gerne über den Verlust.

Bild: Hysky

Kinder trauern ganz anders als Jugendliche – und diese wiederum anders als Erwachsene. Der Verein „TrostReich“ hilft mit Trauerbegleitung. Gespräche, Rituale, Spiel und Spaß gehören ebenso dazu wie Tränen und die Wut im Bauch.

Plötzlich ist Mama nicht mehr da. Oder Opa kommt nicht mehr zu Besuch. Oder die beste Freundin aus der Schule sitzt im Klassenzimmer nicht mehr gegenüber. Wenn ein Mensch stirbt, bedeutet das Trauer, Schmerz, Verzweiflung, Wut – die Welt, wie sie bisher war, gerät aus den Fugen.

Dabei trauern Kinder und junge Menschen aber nicht gleichermaßen wie Erwachsene, weiß Hille Ballin vom Oldenburger Verein TrostReich: „Kinder und Jugendliche springen in die Trauer hinein und wieder heraus. Erwachsene durchschwimmen einen tiefen See.“

Die Räume des Vereins im Oldenburger Stadtteil Etzhorn sind hell und bunt. An der Wand im Flur hängt eine farbenfrohe Collage, an Zierästen kleine Zettel. „Mama“ steht darauf, oder „Du bleibst in meinem Herzen“. An der Decke des Gruppenraumes hängt ein schwerer Boxsack, auf dem Teppichboden liegen große Kissen.

Für Kinder hat der Tod nichts Endgültiges

Martina Wulf (Bild: Verein)

Kinder sprechen nicht unbedingt über ihre Trauer oder die Erfahrung, weiß Martina Wulf, seit Kurzem als Systematische Familientherapeutin, Sozialpädagogin und Trauerbegleiterin beim Verein angestellt. Vielmehr drücken sie ihre Trauer im Spielen, Toben, Malen, durch Rückzug oder auch durch Aggression aus.

Für Kinder hat der Tod noch nichts endgültiges. Sie glauben noch, der Tod betrifft sie nicht selbst. Sie sind neugierig, Berührungsängste haben sie oft keine. Für sie wache der Opa bald wieder auf, oder sie fragen, ob Mama bald wiederkommt, weiß Martina Wulf. „Zwischen zehn und 12 Jahren realisieren sie dann meist, was der Tod bedeutet“, sagt Wulf. Die Therapeutin rät Eltern, die Wahrheit zu sagen – was sich Erwachsene oft nicht trauen. Die Wahrheit müsste altersspezifisch angepasst sein, aber nicht beschönigend. Außerdem rät die Therapeutin, sich präventiv mit dem Thema Tod zu beschäftigen. Nicht erst dann, wenn der Ernstfall eingetreten ist.

Die Kinder kommen mit ihren Eltern oder Großeltern. Diese sitzen während der Gruppenstunden zusammen, sollen aber den Raum nicht verlassen. Die Kinder dürfen sich frei fühlen, aber wenn gewünscht kurz zu ihrer Bezugsperson gehen. „Die Kinder weinen selten“, sagt die Therapeutin. Dafür brauche es bei den Erwachsenen aber oft Taschentücher. Nicht nur für die Kinder ist TrostReich ein geschützter Raum. Auch die Erwachsen können sich hier austauschen.

Während Kindern das Sprechen nicht so wichtig ist, möchten es die Jugendlichen umso mehr. Bei ihnen arbeitet Martina Wulf mit Gesprächen, oder Ritualen. „Bei Jugendlichen ist oft Wut da“, sagt Wulf. Nach dem Tod eines nahestehenden Menschen versuchen sie noch, die Situation unter Kontrolle zu halten – dabei sind sie selbst gerade im Umbruch, in der Pubertät. „Das zieht den Jugendlichen den Boden unter den Füßen weg.“ Unterdrückte Gefühle kämen dann als Aggression durch. Die jungen Menschen haben dann Angst, die Selbstbeherrschung zu verlieren. Um sich sicherer zu fühlen, dürfen sie zu den Treffen einen Freund oder Freundin mitbringen.

„Meine Mama ist jetzt im Himmel“

Den Mitgliedern des Vereins liegt am Herzen, dass jedes Kind und jeder Jugendliche seinen eigenen Trauerweg gehen kann. Gerade bei Kindern sei der Drang da, ihnen die Welt zu erklären, weiß Martina Wulf. Aber wenn das Kind sagt „Meine Mama ist jetzt im Himmel“, dann darf man es auch dabei belassen. Dass sie aber nicht wiederkommt, sollte man den Kindern dann auch sagen. Wichtig ist dem Verein aber auch, eine Traumatisierung zu erkennen – wenn es nicht mehr nur Trauer ist, sondern ein Trauma. Wenn das Kind möglicherweise ansehen musste, wie ein geliebter Mensch gestorben ist. In diesem Fall raten sie dann zu einer Therapie.

Oft seien die Eltern unsicher, ob sie ihre Kinder mit zur Beerdigung nehmen sollten. Hier solle man zumindest fragen, ob sie mitkommen möchten, sagt Martina Wulf. Und ihnen während der Zeremonie auch die Möglichkeit geben, mit einer vertrauten Person das Begräbnis verlassen zu können.

Trauerbegleitung für Kinder und Jugendliche:

Der Verein TrostReich hat sich im Juli 2017 gegründet, ist ein gemeinnütziger Verein und finanziert seine Arbeit ausschließlich aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen. Das Angebot ist für die Familien kostenfrei. Seit Kurzem beschäftigt der Verein als hauptamtliche Mitarbeiterin Martina Wulf, Systematische Familientherapeutin, Sozialpädagogin und Trauerbegleiterin.

Eine Jahresgruppe für Jugendliche zwischen 13 und 16 Jahren, die ihren eigenen Trauerweg gehen möchten, beginnt wieder im September unter der Leitung von Martina Wulf. Ein Infoabend dazu findet am Montag, 19. August, ab 18 Uhr in den Gruppenräumen Am Patentbusch 6 in Oldenburg-Etzhorn statt.

Einen Kennenlerntag für die Kindergruppe gibt es am Samstag, 24. August, von 10 bis 11.30 Uhr, ebenfalls in den Gruppenräumen Am Patentbusch.

Text und Bilder: Tonia Hysky Redakteurin der NWZ Oldenburg